Ganz in Blau gehüllt

8 min
Ingrid S. Hofer
Wenn mich jemand fragen würde, ich würde nicht sagen, dass Blau meine absolute Lieblingsfarbe ist. Aber es ist eine Farbe, die ich ausgesprochen gerne mag. Im genau richtigen Ton, zum richtigen Zeitpunkt und in der richtigen Umgebung entfaltet Blau seine einzigartige Wirkung.

Dieser genau richtige Zeitpunkt war vor etwa einem Jahr. Ich stand in der Albertina Galerie in Wien, vor einer ganz in blau gestrichenen Wand. Sie präsentierte Werke des Wiener Aquarell um das 19. Jahrhundert. In diesem Moment wusste ich – dieses Blau ist die Farbe der Stunde. Ich fühlte mich in dem dunklen, doch warmen Blau so aufgehoben. Ich empfand Weite und war gleichzeitig angekommen in einer Zukunft wie ich sie gestalten möchte.

Dieses Gefühl wünschte ich mir für meine LeserInnen auf Desinn.today. Was darauf folgte waren viele Farbabstimmungen und -kombinationen, doch auch das sonnige, etwas senfige Gelb, zu dem ich mich schließlich entschied, fand mich auf ähnliche Weise. Ich glaube ich stand mit etwas Blauem an mir vor einer wunderschönen, senfgelben Rauhledercouch. Die Farben fügten sich einfach ineinander.

Goethe bezeichnete
Blau und Gelb als die
wahrhaft reinen Farben

Aus gestalterischer Sicht greift man in einem Designprozess nicht vorschnell zu einem Blau und kombiniert es mit einem Gelb, wenn man etwas besonderes Hochwertiges oder gar Nachhaltiges im Sinn hat. Die beiden Komplementärfarben werden, speziell im Brand Design, gerne für Marken-Farbwelten verwendet, die absolute Leistbarkeit in jeder Gehaltsstufe vermitteln sollen. Jedem fallen bestimmt sofort einige Beispiele ein, ohne, dass ich Namen nennen muss.

Aber so oberflächlich funktioniert Gestaltung nicht. Gestalterische Prozesse sind tiefsinnig, intensiv und dauern oft lange. Und ein Blau ist nicht einfach nur blau, so wie ein Gelb nie nur gelb ist. Alle Farben haben ein gewisses Spektrum und, wenn sich selbst zwei Komplementärfarben genau zum richtigen Zeitpunkt in den richtigen Mischverhältnissen treffen, verschmelzen sie zu einer wundervollen Einheit. Das Ergebnis erreicht nicht jeden Geschmack, natürlich. Aber die Gestaltung mit Farbe ist auch Gestaltung durch Wiedererkennung und Abgrenzung. Dennoch, Blau gilt als die beliebteste Farbe. Sie hatte in kultureller Hinsicht von Beginn an einen hohen Stellenwert. War die Farbe der KönigInnen, der Gottheiten, des Himmels sowie des Wassers und galt als lebensspendend.

Die Reise

Nun begleiteten mich „meine“ Farben relativ bald in der konzeptionellen und visuellen Ausarbeitung von Desinn.today. Damit habe ich zu Beginn nicht gerechnet, und das ist in kreativen Prozessen oft ganz anders. Ob es mir geholfen hat? Ja und Nein.

Es gab schwere Phasen, wo ich kaum Zeit hatte mir auch nur einen Gedanken zu diesem Herzensprojekt zu erlauben. Wenn ich etwas Muse suchte war ich wie blockiert vor Ideen, die für mich noch kein stimmiges Gesamtbild ergaben. Das schmälerte meine Ungeduld auf die Veröffentlichung von Desinn.today natürlich nicht. Nein im Gegenteil, es macht ordentlich Druck, wenn man etwas von Herzen machen möchte. Es machte mich schier wahnsinnig, nachdem mich dieses Projekt schon etwa seit 5 Jahren gedanklich begleitete.

Aber in gewisser Weise hat mich meine Farbwahl auch hierher getragen, sonst wären vielleicht andere Aspekte der Entwicklung von Desinn.today Thema eines der ersten Artikel geworden.

Blau schenkt Weite
und Vertrauen, es
erfüllt die Sehnsucht

Denn dann gab es diese wundervollen Zeiten. Die Tage und Wochen, wo ich mich ständig im Fluss fühlte, sobald ich nur mein Notizbuch zückte, um an Desinn zu feilen. Wo ein Schritt zum nächsten führte und jeder Gedanke durch ein gutes Gespräch oder ein Erlebnis mich in dem bestätigte, was ich hier vorhatte. Der bereichernde Austausch mit meinem Team und mir nahestehenden Menschen, die immer sahen, was Desinn an Potenzial in sich trägt.

In der Zeit habe ich oft entdeckt, dass besondere Blautöne mich plötzlich immer und überall wieder zu finden schienen. So wie in der Ausstellung ‘Beauty’ von Sagmeister & Walsh im MAK Wien. Schönheit – ein Thema, das mich hier noch sehr viel beschäftigen wird. Sowie weitere inspirierende Markenauftritte, DesignerInnen, KünstlerInnen, … die mich mit ihrem Spiel mit verschiedenen Blautönen überraschten.

Ein Artikel in “Die Zeit“ berichtete von dem Maler Yves Klein, der etliche Gemälde „einfach“ nur in Blau strich, und wie besessen an der Mischung „seines“ perfekten Blautons feilte, bis er ihn gefunden hatte. Natürlich ließ er ihn patentieren – „International Klein Blue“ (der I.K.B.) – ein wirklich schöner Ton. Aber was hat Yves seinem Blau so verfallen lassen, dass er nicht von der Beschäftigung mit dem einen Farbton los konnte? Was ließ viele KünstlerInnen sich in der Geschichte gerade mit der Farbe Blau so intensiv beschäftigen? Ich werde auf jeden Fall bald noch einen eigenen Artikel in ‘Art & Design’ dazu bringen.

Weltblick Coastline 2
Blick aus dem All auf unseren blauen Planeten, wo etwas Gelb nicht fehlen darf © Foto by NASA on Unsplash

Also blau, und immer wieder ein wenig gelb, überall wo ich hinsah! Zumindest kam mir das so vor, was aus psychologischer Sicht vielleicht ganz logisch, aber für mich als Schaffende in dieser Phase magisch war.

Das hat mich weiter in der Konzeption beflügelt. Mein Blau als Neuinterpretation von Harmonie, von ausgleichender Feinfühligkeit.

Einfach ein Blau, das gemeinsam mit dem sonnigen Gelb, verbindend und inspirierend auf eine nachhaltige und gesellschaftlich lebenswerte Gestaltung der Zukunft unserer Welt wirken will.

Artikel lesenswert?
Bewerten:
Durchschnittsbewertung: 3.5
Anzahl an Bewertungen: 6
Fotocredits: © Ingrid Hofer | Desinn.today © by various artists on Unsplash