‘The Odd One Out’

7 min
Ingrid S. Hofer
Anders. Eigenartig. Merkwürdig. Nicht wie die Anderen. Wie gar niemand? Oder nicht wie die Mehrheit? Das klingt nach endloser Freiheit, trägt aber auch hohes Potenzial für einen inneren Kampf in sich. Es erfordert Abgrenzung zu den wiederum Anderen. Doch wie kann man sich abgrenzen ohne sich abzuschotten, sich abheben ohne abgehoben zu sein, seinen ganz eigenen Weg gehen und gerade damit die Welten rund um sich verbinden?

‘The Odd One Out’ – das diesjährige Motto der Forward Festival Reihe ließ mich wieder einmal dem Anders- und Gleichsein nachhängen. Bei uns Kreativen geht es generell darum etwas anders zu sein. Das weiß jeder – dafür werden wir bewundert, aber auch gerne belächelt. Und genau da liegt ein Knackpunkt.

Wir sind gefragt, sobald wir gefragt sind. Doch davor, dazwischen und auch dann noch liegen oft harte Zeiten und viele Fragen um das eigene Anderssein.

Viele kreativen Geister, die ganz ausgefallene Wege gehen, wurden lange oder ihr ganzes Leben komisch dafür beäugt, dass sie nicht wie die meisten brav mit dem Strom schwimmen, vielleicht nicht auf geradem Weg ihren Abschluss machen oder als Erwachsene ihren Hafen in einem ‘sicheren’ Job suchen.

Die Sorgenkinder waren immer diejenigen, die Autoritäten hinterfragten und es auch zeigten. Die Sorgenerwachsenen der Zukunft unserer Welt sind aber schließlich die, die zu wenig hinterfragen. Da läuft natürlich etwas schief. Es unterstreicht auch, wie lange viele von uns, die schließlich ein Leben als wie auch immer schaffender Freigeist wählen, sich immer wieder sagen lassen mussten: ‘Was ist mit dir? Warum bist du so anders, warum machst du nicht einfach was man dir sagt?’ Und sich selbst dadurch wieder und wieder hinterfragten.

Die Anwort mit einer erwachsener Distanz ist befreiend. Weil es nicht darum geht, gleich zu sein. Die Welt lebt nicht von Gleichheit, oder in vorgegebenen Normen denkenden Menschen. Sie lebt erst durch Vielfalt. Es gibt so viele Farben, Nuancen und Schattierungen – nur das ganze Spektrum wahrzunehmen macht das Leben reicher.

 

We are the 'Odd Ones'

Wir Kreativen sind schließlich auch diejenigen, von denen erwartet wird die Dinge anders zu sehen. Wir nehmen Sachverhalte aus ihrem Kontext, um neue Zugänge in Gestaltungsprozessen oder in der kreativen Kommunikation zu erlangen. Genau dabei müssen wir uns auch sehr gut in unser Gegenüber, wie unsere Auftraggeber, hineinversetzen können. Auch wenn wir anders denken und selbst gerne unkonventionelle Wege gehen – in unserer Arbeit, sowie meist auch generell in unseren Leben. Das lässt sich schwer voneinander trennen.

Wir leben davon anders zu denken. Es ist die Aufgabe der gesamten Kreativ-Branche das Anderssein in einen Sinn- und Funktions-Kontext zu stellen.

Unsere Berufe klingen aufregend, nach Freiheit und Selbstbestimmtheit. Das ist aber auch das, was wir uns hart erarbeiten und tief in unserer Haltung verankern müssen, um nicht einzuknicken. Es erfordert viel Stärke sich vor gegebenen Denkweisen zu bewahren, die wir vielleicht immer vorgelebt bekommen haben, und in gewissen Lebensphasen selbst erfüllen mussten.

Forward Festival Munich 2019, © 4motions.at
Eigenartig – einfach auf die eigene Art fühlen, denken, handeln und damit die Welt bereichern

Das diesjährige Forward Festival ließ uns Kreative unsere Andersartigkeit feiern. Etwas das für uns so wichtig ist. Uns aus dem Alltag begeben, um aus einer gesunden Distanz zu hinterfragen wer wir sind, und mit welcher Überzeugung wir gestalten.

Zu sehen wie viele unserer Branche – von jungen Newcomern bis zu Urgesteinen – genau durch ihr Anderssein ihren Weg machen, bestätigt und inspiriert auf ganz besondere Weise das Eigenartige zu erschaffen. Neue Spielwiesen entdecken, ungeahnte Potenziale freilegen.

Es waren wieder viele Geschichten, die mich und mein Team am Forward Festival in München vor zwei Wochen beflügelt haben.

David Carson, der mit seinem Surfer Charme und unverkennbaren Stil eine Revolution im Grafikdesign ausgerufen hat. Gemma O’Brien, die uns mit ihrer Letter-Kunst und hinreißenden Art in ihrer Live-Performance in einen meditativen Beobachtungszustand versetzte. Die Künstlerin und Designerin Kelli Anderson mit ihrem wundervoll verspielten Pop-Up-Buch ‘Planetarium’, das ein Erlebnis für sich ist. Der eindrucksvolle Talk von Natasha Jen von Pentagram. Und der große Stefan Sagmeister, der einmal mehr über den Sinn und Zusammenang von Schönheit und Funktion sprach, und uns zum Abschluss dazu brachte, die Schönheit und Kraft des Augenblickes durch ein gemeinsam gesungenes Lied zu erfahren.

Sie sind mir – neben weiteren großartigen Talks und vielen bereichernden Momente mit den Menschen rund um mich – besonders stark in Erinnerung geblieben. Sie sind es auch, die mich noch längere Zeit intensiv begleiten und mir Impulse für alles, was ich vorhabe, geben werden.

Merkwürdig – Etwas, das so spannend ist, dass es wert ist bemerkt zu werden.
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